Ferien im Fokus – Ein Fachtag des Landesverbandes Bayern
Als Bestandteil des kommenden Ganztagsrechtsanspruchs stehen Kommunen, Träger und Schulen vor der Frage, wie Ferienbetreuung verlässlich organisiert werden kann – ohne dabei ihren pädagogischen Kern zu verlieren. Der Tag war entsprechend geprägt von großem Interesse, offenen Diskussionen und dem gemeinsamen Willen, Lösungen zu entwickeln.
Plädoyer zum Auftakt: Ferien müssen anders sein …
Dr. Volker Titel, Vorsitzender des Landesverbands Bayern im Ganztagsschulverband, setzte zu Beginn den freizeitpädagogischen Anspruch: Ferien müssten eine Zeit bleiben, in der Kinder Abstand vom regulären Schulbetrieb erfahren. Gleichzeitig wird diese Zeit zunehmend zu einer organisatorischen Herausforderung für Familien. Titel machte klar, dass der Rechtsanspruch ab 2026/27 ein neues Kapitel aufschlägt, dass nicht nur Betreuung, sondern pädagogische Qualität in den Mittelpunkt rücken muss – und dass der Verband diese Diskussion aktiv mitgestalten will.
Sabine Haering, Co-Vorsitzende, hatte bereits in ihrer Begrüßung daran erinnerte, dass Ferienbetreuung in der (schul-)politischen Wahrnehmung lange ein blinder Fleck war. Sie unterstrich die Bedeutung des Fachtags als Ort des Austauschs, der Vernetzung und des gemeinsamen Arbeitens an praxisbezogenen Fragestellungen.
Ferien als eigener Bildungsraum
Prof. Dr. Ivo Züchner aus Marburg vertiefte in seinem Vortrag genau diesen Punkt. Er zeigte, dass Ferienangebote historisch aus der Jugendarbeit herausgewachsen sind – aus Ferienspielen, Stadtranderholung und verbandlicher Ferienarbeit. Diese Angebote zeichnen sich durch Freiwilligkeit, Erfahrung, Gemeinschaft und non-formale Bildungsprozesse aus, und gerade diese Eigenschaften machen Ferien pädagogisch wertvoll.
Züchner betonte, dass Ferienprogramme nicht in die Strukturen der Schule gedrängt werden sollten. Sie sind kein „Schule plus“, sondern eigene Bildungsräume, die Kinder in ihrer Entwicklung stärken. Gleichzeitig machte er deutlich, dass die derzeitige Angebotslandschaft – insbesondere im ländlichen Raum – keine flächendeckende Struktur hat und die vorhandenen Modelle nicht ohne Weiteres mit einem Rechtsanspruch kompatibel sind.
Podiumsdiskussion: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
In der Podiumsdiskussion zeigte sich die ganze Komplexität des Themas. Beteiligt waren sich Vertreter des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (Dr. Philipp Nicklas), des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales (Nora van de Sand), der freien Trägerschaft (Johannes Fleischmann, Diakonie Rosenheim), der kommunalen Ebene aus Stadt und Landkreis (Leonhard Baur, Stadt München sowie Theresa Amos, Landratsamt Oberallgäu).
Deutlich wurde schnell, wie groß die Spannungen zwischen politischem Anspruch und praktischer Umsetzung noch sind. So ist der rechtliche Rahmen für Bayern weiterhin nicht abschließend geklärt: Während das Kultusministerium an Ausführungsregelungen arbeitet und die Frage einer schulischen Aufsicht über Ferienprogramme im Raum steht, verfolgt das Sozialministerium den Ansatz, die Jugendarbeit als eigenständige, rechtsanspruchserfüllende Instanz zu stärken. Gleichzeitig geraten die Kommunen zunehmend unter Druck. Großstädte wie München bereiten umfangreiche Strukturen vor, ohne verlässliche Prognosen zur tatsächlichen Nachfrage zu haben, während ländliche Regionen mit geringen Teilnehmerzahlen, langen Wegen und fehlenden Fachkräften kämpfen. Als größter Engpass wurde übereinstimmend das Personal benannt. Viele bestehende Ferienangebote leben vom Engagement Ehrenamtlicher und von Honorarkräften – tragfähige Modelle für eine mehrmonatige, verlässliche Ferienbetreuung mit qualifiziertem Personal fehlen aber bislang häufig. Dabei bestand Einigkeit darüber, dass Qualität nicht dem Zeitdruck geopfert werden darf. Ferienbetreuung wurde klar als pädagogischer Erfahrungsraum beschrieben, der Gemeinschaft, Bewegung, Kreativität und non-formale Bildung ermöglicht und nicht auf eine formale Erfüllung des Rechtsanspruchs reduziert werden darf. Dennoch standen organisatorische Fragen im Mittelpunkt, etwa zu Schließzeiten (auch: wie viele Tage müssen denn im Startjahr 2026 mit Ferienbetreuung angeboten werden), Beförderungsdetails und die Nutzung von Schulgebäuden.
Ideen für die praktische Umsetzung
Die vier abschließenden Workshops machten deutlich, dass sich die Herausforderungen der Ferienbetreuung in ganz unterschiedlichen Praxisfeldern zuspitzen, zugleich aber viele Fragestellungen ineinandergreifen. Ob es um pädagogische Konzepte, Personalfragen, Organisationsdetails oder um Verpflegung ging – überall zeigte sich die Spannung zwischen gewachsenen, oft sehr flexiblen Strukturen und den neuen Anforderungen eines verbindlichen Rechtsanspruchs. Die Teilnehmenden brachten zahlreiche praktische Erfahrungen ein, benannten offen bestehende Grenzen und entwickelten zugleich pragmatische Lösungsansätze. Deutlich wurde dabei, dass es keine einfachen Standardlösungen geben kann, sondern dass Ferienbetreuung nur im Zusammenspiel von klaren Rahmenbedingungen, kommunaler Koordination und fachlicher Qualität gelingen wird. Die Workshops bestätigten damit eindrucksvoll den Grundtenor des Fachtags: Ferienbetreuung braucht Raum für pädagogische Vielfalt – und zugleich verlässliche Strukturen, um diese Vielfalt dauerhaft zu sichern.
Fazit: Ein Auftakt mit klarer Botschaft
Der Fachtag machte deutlich: Ferienbetreuung braucht mehr als einen gesetzlichen Anspruch. Sie braucht klare Qualitätsvorstellungen, verlässliche Finanzierung, ausreichend Personal und gute kommunale Planung. Vor allem aber braucht sie den Blick auf das, was Ferien für Kinder bedeuten: Zeit für Gemeinschaft, Erlebnisse und Entwicklung. Der Fachtag war damit kein Abschluss, sondern ein Startpunkt – für weitere Gespräche, für politische Klärungen und für eine Ferienbetreuung, die ihrem pädagogischen Anspruch gerecht wird. Der Landesverband Bayern wird dafür im ersten Halbjahr 2026 eine Reihe an Online-Veranstaltungen und einen weiteren Fachtag in Präsenz veranstalten.
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